Architektur

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Version vom 16. Januar 2011, 11:10 Uhr von Mile (Diskussion | Beiträge)
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von Benedikt Hotze

Frank Viktorin wrote:

F:"Ich fotografiere nun schon 10 Jahre und ueberlege, ob ich nicht etwas professioneller an die Sache rangehen soll, sprich vielleicht mal Geld damit verdienen."

Wenn du mit Fotografie Geld verdienen möchtest, hast du einen harten Weg vor Dir. Ich möchte dich aber auf jeden Fall ermuntern, diesen Weg zu beschreiten und selbst Erfahrungen zu machen - gute wie schlechte.

F:"Nun kristallisiert sich immer mehr meine Liebe zur Architektur- und zur Landschaftsfotografie heraus und nun frage ich mich, was brauche ich, um noch bessere Ergebnisse zu erzielen. Klar, abgesehen vom Motiv und meinem Talent ;-)"

Wenn du mit *Architekturfotografie* Geld verdienen möchtest, hast du einen *verdammt* harten Weg vor dir. Bitte glaube es mir, ich verstehe ein wenig von der Sache.

F:"Was wuerdet Ihr empfehlen ? - Mittelformat oder soll ich bei SLR bleiben? und wenn MF, welche Kamera? - anderer Film (Kodakchrome 25, o. ae.), oder gar kein Dia?"

Ich nehme dein Posting zum Anlaß, etwas Grundsätzliches zum Thema "professionelle Architekturfotografie" zu sagen. Bitte nimm mir nicht übel, wenn ich dabei auch recht direkt werde. Als Ausgangspunkt meiner Ausführungen steht meine Interpretation deiner Anfrage. Das heißt, ich äußere mich jetzt gegenüber einem Menschen, der mit Architekturfotografie (zumindest) einen spürbaren Anteil seines Lebensunterhalts verdienen möchte. Solltest du dich damit nicht angesprochen fühlen, weil du allenfalls eher gelegentlich mal ein Einzelhonorar für einzelne, besonders gelungene Aufnahmen verbuchen willst, dann rede ich vielleicht an deiner Anfrage vorbei. Sieh es mir nach. Es wird trotzdem das ein oder andere auch für deine Zwecke Nutzbare dabei sein.

1. Der Job als Architekturfotograf ist einer der härtesten in der ganzen Branche. Hauptgrund: Die Location kommt nicht zu dir ins Studio, sondern du mußt zu ihr. Und die Location ist mit Widrigkeiten versehen: Da gibt es so unschöne Dinge wie schlechtes Wetter, da gibt es so unpraktische Dinge wie den Lauf der Sonne (der genaue Vorausplanung erfordert), da gibt es so überflüssige Phänomene wie Feierabend machende Hausmeister, die trotz vorheriger Absprache nicht in der Lage sind, Lichter an- oder auszuknipsen, Rollos rauf- oder runterzulassen etc. pp. Und das spielt sich dann natürlich 700km fern der Heimat ab. Your car will become your castle...

2. Der Job als Architekturfotograf ist einer der am wenigsten lukrativen der Branche, weil die beiden hauptsächlich in Frage kommenden Auftraggeber (Architekten und Fachzeitschriften) traditionell sehr knauserig bezahlen. Kein Vergleich zu Werbeagenturen etc. Nur wem es gelingt, auch Kunden aus der (Baustoff-) Industrie und der Publikumspresse zu gewinnen, kann davon leben (von ein, zwei Handvoll Ausnahmefotografen abgesehen). Wohlgemerkt: Ich rede hier nicht von touristischen tadtimpressionen, die man für Merian, GEO oder HB-Bildatlas macht, sondern von der Dokumentation aktueller Architektur als Auftragsarbeit.

3. Der Job als Architekturfotograf erfordert eine in jahrelanger Beschäftigung mit dem Fach gewonnene Sicherheit in der Beurteilung von Bauten und Entwürfen, von Konstruktionen und Perspektiven. Der Job erfordert vor allem, die gleiche Sprache zu sprechen wie der Architekt, der seinen Bau dokumentiert haben will. Architekten sind gestalterisch orientierte, sehr schwierige Menschen mit ganz eigenen Auffassungen. Der Job erfordert sichere Kenntnisse der Bauhistorie, der Architekturtheorie und der internationalen Architekturszene der Gegenwart. Eine Architekturaufnahme, die Wettbewerbsjuroren von Color-Foto spannend finden, löst bei studierten Architekten in vielen Fällen Langeweile und Ablehnung aus. Der Architekturfotograf muß wissen, warum das so ist. Und das kann man sich nicht mal eben anlesen.

4. Wer mit Architekturfotografie dauerhaft sein Geld verdienen will, ist zwingend auf die technischen Möglichkeiten der vollverstellbaren Fachkamera angewiesen. Die Auftraggeber, Architekten und Architektur-Fachzeitschriften, wollen es so. Sie verlangen Aufnahmen von höchster technischer Perfektion. Neben den allgemeinen Qualitätsansprüchen an Dokumentarfotos sind die wichtigsten spezifischen Merkmale einer technisch perfekten Architekturaufnahme Verzeichnungs- und Verzerrungsfreiheit.

4.1. *Verzeichnung* ist ein Objektivfehler, der durch Abblenden nicht beseitigt werden kann: Gerade Linien werden gekrümmt ("tonnenförmig" oder "kissenförmig") dargestellt. Dieser Fehler stört bei Porträts oder Landschaften nicht, bei Architektur jedoch sehr wohl. Verzeichnungsfreiheit läßt sich nur mit perfekt korrigierten, symmetrisch aufgebauten Objektiven erzielen. Weitwinkelobjektive für die Kleinbild- oder Mittelformat-SLR eignen sich dazu nur eingeschränkt, weil sie wegen des Spiegelschlags als sogenannte Retrofokus-Objektive aufgebaut sind, die die Nennbrennweite optisch "simulieren". Verzeichnungs*freie* Weitwinkelobjektive gibt es unterhalb von Großformat nur für Sucherkameras (Leica M, Contax G bei Kleinbild; Hasselblad-SWC-xxx (?) mit dem 38er Biogon und im Prinzip noch für Zweiäugige wie Rolleiflex bei Mittelformat). Nur diese Objektive entsprechen von ihrer Geometrie tatsächlich der Nennbrennweite und können daher symmetrisch aufgebaut werden.

Nur am Rande (I): Noch schlechter als Retrofocus-Objektive mit fester Brennweite sind Zoom-Objektive. Die verzeichnen in aller Regel so brutal, daß man damit seine Oma um die Ecke bringen kann. Grund: Sie *können* nicht für alle Brennweiten korrigiert sein. Also: Finger weg von Zooms, wenn Gebäude abgelichtet werden sollen!

4.2. Das beste verzeichnungsfreie Objektiv nützt nichts, wenn man damit *perspektivische Verzerrung*, vulgo: stürzende Linien, bekommt. Stürzende Linien entstehen, wenn die Kamera nicht waagerecht ausgerichtet wird. Im Prinzip könnte man mit jeder Kamera bzw. jedem Objektiv der Welt stürzende Linien vermeiden, wenn man sie schlicht gerade hält. Da aber dabei in der Praxis meist zuviel Vordergrund draufkommt, das Dach des Gebäudes aber nicht mehr, kippt der ungeübte Architekturfotograf seine Kamera an. Resultat: Stürzende Linien.

Daher muß man entweder seinen Standpunkt erhöhen (in der Praxis meist undurchführbar) oder seinen Bildausschnitt bei waagerecht ausgerichteter Kamera nach oben *shiften*. Das erlaubt die Fachkamera (egal, ob ein Mittelformat- oder ein Planfilm-Magazin dransitzt). Das erlauben (mit Einschränkungen) auch sogenannte Shiftobjektive für Kleinbild oder Mittelformat. In einem kürzlich hier gelaufenen Thread wurde darüber diskutiert. Auch ich besitze ein KB-Shiftobjektiv, und ich erwäge den Kauf eines Mittelformat-Shiftobjektivs. Die Dinger sind sehr praktisch für gelegentliche, halbwegs passabel aussehende Gebäudefotos (und dafür setze ich sie ein). Sie erreichen (eben wegen ihrer prinzipbedingten, sichtbaren Verzeichnung) aber nicht das Qualitätsniveau, das hier zur Debatte steht (professionelle Architekturfotografie).

Nur am Rande (II): Nicht jedes Architekturfoto muß "gerade stehen". Aber wie hier schon einmal unwidersprochen gepostet, gilt der Satz: Wenn ein Architekturfoto stürzende Linien aufweist, sollte dies eine bewußte Entscheidung im Sinne der Bildgestaltung sein und nicht durch eine unzureichende Ausrüstung erzwungen worden sein.

Welche Fachliteratur gibt's?

Ein wunderbares Buch, von einem Architekten für Architekten geschrieben:

Wilfried Dechau, Architektur Abbilden, DVA, Stuttgart, 1995. Fängt bei Null an und berücksichtigt vor allen diejenigen, die eben doch nicht aufs Großformat wechseln wollen.

Ein eher schwaches Buch, das Schleichwerbung für den Kamerahersteller Sinar macht: Urs Tillmanns: Architekturfotografie (in der Reihe: Kreatives Großformat), Verlag Photographie, Schaffhausen 1993

Hoffe, etwas geholfen zu haben.

Siehe auch