Zerstreuungskreis

Aus drf-faq
Wechseln zu: Navigation, Suche

Wenn Du Dein Objektiv auf eine bestimmte Entfernung einstellst, vorzugsweise auf die, in der sich auch Dein Motiv befindet, dann wird jeder Punkt des Motivs ebenfalls als ein sehr, sehr kleiner Bildpunkt auf dem Film oder dem Kamerasensor abgebildet. Ist simple Optik. Wenn das Objektiv absolut perfekt waere und es einige andere Effekte nicht gaebe, wuerden Motivteile in der scharfgestellten Entfernung allesamt beliebig scharf aufgeloest aufgenommen werden koennen. Der Bildpunkt in der Kamera haette einen Durchmesser von Null. Real liegt der Wert bei einem sehr guten Objektiv bei etwa 1/100 mm.

Je kleiner diese Bildpunkte auf dem Film oder Sensor sind, desto feiner wird das Motiv aufgeloest. So, als wenn Du selbst mit Farbe ein Bild aus kleinen aneinandergesetzten Puenktchen malen wuerdest und das ganze mit einem sehr feinen Pinsel tun wuerdest. Je kleiner der Pinsel, desto feiner kann das Motiv wiedergegeben werden.

So ist das mit den Motivteilen, auf die Du scharfgestellt hast.

Davor oder dahinter wird das Motiv natuerlich auch abgebildet. Aber etwas anders. Je weiter man nach vorn oder hinten von der exakten Scharfstellentfernung abweicht, desto dicker werden die Bildpunkte. Im Extremfall werden sie so gross, dass man sie im Hintergrund als grosse runde Kreise (oder Sechsecke, oder Fuenfecke...) erkennt. Hast Du sicher schon mal gesehen, in Bildern mit stark zerfliessendem Hintergrund.

Das ist der sog. Zerstreuungskreis.

Irgendwo zwischen diesem exakt-punktscharf (Punktdurchmesser fast Null) und dem voelligen Zerfliessen (Punktdurchmesser mehrere Millimeter) gibt es nun einen Grenzwert, bis zu dem ein Motivdetail noch als "ausreichend scharf" angesehen werden kann. Anders gesagt: es gibt eine maximale Pinseldicke, mit der man malen kann. Alles darueber ist so grob (wird mit so dicken Punkten aufgezeichnet), dass Details derart stark ver- schwimmen, dass man sie nicht mehr als scharf bezeichnen kann.

Das ist der maximale Durchmesser des Zerstreuungskreises.

Die Stellen vor und hinter dem Motiv, an dem der Zerstreuungskreis diesen Grenzwert erreicht hat, *das* sind die Grenzen der Schaerfen- tiefe. Die bedeutet nichts anderes als dieses: "von wo bis wo ist das Bild auch ausserhalb der exakt eingestellten Entfernung doch noch akzeptabel scharf".

Jetzt kann man Ueberlegungen anstellen, wie gross dieser Unschaerfekreis werden darf. Man bezieht sich dabei in aller Regel auf das Filmformat bzw. das Sensorformat, also auf das Bild in der Kamera.

Bei grossen Aufnahmeformaten muss eine bestimmte Papierbildgroesse nur relativ schwach nachvergroessert werden. Alle Bildpunkte werden also um einen eher kleinen Faktor nachvergroessert. Damit im fertigen Papier- bild ein bestimmter Grenzwert nicht ueberschritten wird, duerfen bei grossen Aufnahmeformaten also recht dicke Bildpunkte vorhanden sein.

Der zulaessige Zestreuungskreisdurchmesser ist also proportional zum Bildformat. Weil alle Formate unterschiedliche Seitenverhaeltnisse haben, bezieht man sich auf die Diagonale. Die ueblichen Konventionen besagen denn auch, dass der Zerstreuungskreis 1/x der Formatdiagonale gross sein darf.

Nur: wieviel genau?

Man kann nun folgenden Ansatz waehlen: Ein Bild soll dann als scharf gelten, wenn ein Abzug bei Betrachtung aus 30 cm Entfernung immer noch ausreichend scharf fuer das Auge ist. Das waere angesichts des Aufloesungsvermoegens unserer Augen so etwa 0,1 mm Dicke, die ein Punkt im Papierbild haben darf. Wenn man aus 30 cm Entfernung draufsieht. Feineres erkennt man eh nicht.

Ein 13x18-Abzug, angefertigt von einem Kleinbildnegativ 24x36 mm, zeigt das Negativ in etwa 5facher Vergroesserung. Das heisst: wenn im Abzug 0,1 mm Punktdicke gerade noch zulaessig sind, dann darf das im Negativ nur 1/50 mm sein. Und schon haben wir den zulaessigen Zerstreuungskreis- durchmesser fuer den Fall eines 13x18-Papierbilds von Kleinbildfilm bei Betrachtung aus 30 cm Entfernung.

Die Konvention ist in diesen Dingen noch etwas toleranter. Sie laesst bei Kleinbildfilm etwa 1/30 mm zu. Das entspraeche einer Betrachtung aus etwa 50 cm Abstand. Oder einer "noch guten" Schaerfe aus 30 cm.

Fuer kleinere und groessere Aufnahmeformate (Pocketfilm, Mittelformat, Kompaktdigitalkamera, Vollformat-DSLR, Mittelformatrueckteil) darf unter gleichen Bedingungen der zulaessige Zerstreuungskreis in der Kamera natuerlich proportional kleiner bzw. groesser sein. Es wird ja jeweils proportional mehr fuer die gleiche Endbildgroesse nachvergroessert. Als Faustregel hat sich 1/1500 der Negativ/Sensordiagonale eingebuergert. Das funktioniert schon ganz gut. Damit bekommst Du dann bei Kleinbild- film (43,2 mm Diagonale) auf etwa 0,03 mm und damit den schon genannten Wert von 0,03 mm Zerstreuungskreisdurchmesser.

Fuer eine APS-C-Kamera, deren Format 1,5x kleiner ist, duerften es demnach nur 0,02 mm sein. Fuer eine Kompaktdigi mit Formatfaktor 6 waeren sogar 0,005 mm anzusetzen.

Wie Du aus dem Gesagten aber erkennen kannst, ist das ganze Konzept der "zulaessigen Unschaerfe" von mehreren, erheblich schwankenen Parametern abhaengig:

- wie gross wird das Papierbild gemacht? - aus welchem Abstand wird es betrachtet?

Bleibt das Verhaeltnis von Groesse zu Abstand gleich, kann man immer mit dem gleichen Wert rechnen. Will man aber riesige Bilder aus sehr kleiner Entfernung betrachten, muss der Zerstreuungskreis sehr sehr klein sein. Betrachtest Du ein maessig scharfes 10x15-Bild aus 3 m Entfernung, wird es Dir hingegen durchaus scharf vorkommen. Du siehst das ganze ja gar nicht so genau. <8)

Ein drittes wichtiges Kriterium ist Deine individuelle Toleranzgrenze fuer Schaerfe. Es gibt Leute, die wollen sich ein Bild in 100%-Ansicht auf dem Monitor betrachten und die Schaerfe soll nur durch das Pixel- raster der Kamera begrenzt sein und sonst nix. Die wuerden dann als zulaessige Unschaerfe den Pixeldurchmesser angeben. Mal abgesehen davon, dass die meisten Objektive gar nicht dermassen gut sind, widerspricht dieser Ansatz dem Konzept der Schaerfentiefe - bei dieser geht es ja um eine zulaessige *Unschaerfe*: wo, vor und hinter dem Motiv, ist die Punktschaerfe auf ein bestimmtes Mass abgefallen, das noch toleriert wird? Daher halte ich die Pixelgroesse zur Schaerfentiefenbestimmung fuer den falschen Ansatz.

Die Frage ist: was soll mit dem Bild geschehen? Soll es in Vollbild- Darstellung (bildschirmfuellend) auf dem Monitor betrachtet werden? Soll ein Poster davon gezogen werden? Oder soll es gar nur mit 300x400 Pixel auf eine Website? In allen diesen Anwendungen ist die Schaerfentiefe

  • des selben Bildes* sehr unterschiedlich, mal groesser, mal kleiner.

Was Du im Poster aus der Naehe als bereits deutlich unscharf ansehen wuerdest, ist im Internetbildchen ueberhaupt gar nicht als unschaerfer erkennbar. Die Frage ist: wo ist Deine Grenze? Fuer welche Anwendung?

Es gibt daher keinen festen Zerstreuungskreisdurchmesser, den man universell nehmen koennte. Die gaengigen Empfehlungen sind praxis- bewaehrt: 1/1500 der Kameraformatdiagonale fuer durchschnittliche bis maessige Ansprueche, 1/2000 bis zu 1/4000 fuer hoehere. Letztlich laeuft es darauf hinaus, dass Du Dir fuer Deine Anwendung einen eigenen Wert bestimmst, mit dem Du zurecht kommst. Oder zwei oder drei Werte, je nach Verwendungszweck.